Eckelt Consultants GmbH
Second Career:
Zeit für mehr Freiheit
Dr. Wolfgang K. Eckelt
Geschäftsführender Gesellschafter, Eckelt Consultants GmbH
Schon jetzt, und in Zukunft zunehmend, verlieren Führungskräfte in den besten Jahren plötzlich ihren Job. Weil andere Spielarten von Managementkompetenz gefragt sind, eine andere Produkt-Expertise, ein anderes Selbstbild … eine andere Generation. Die meisten sind blind für diesen persönlichen Kodak-Moment – und stolpern in den Abstieg. Einigen jedoch gelingt es, das Steuer herumzureißen. Denn: Wann bietet sich die Chance auf Freiheit so radikal wie jetzt? 10 Perspektiven für Manager, für die sich in Kürze alles ändert.
Er gilt als einer der dicksten, historischen Fehler der Wirtschaftsgeschichte: Der Moment, als das Unternehmen Kodak der Digitalfotografie jegliche Bedeutung für das eigene Business absprach. Und dann unterging. Ursprünglich als Werbeslogan für besondere Augenblicke gedacht, wurde „The Kodak Moment“ zum Inbegriff für Blindheit angesichts disruptiver Entwicklungen.
Auch die Automobilindustrie hat lange sehr zuversichtlich in die Zukunft geschaut, und das nicht ohne Grund: Es ging stetig bergauf, von einem Absatzrekord zum anderen. Größe und Stückzahl, Design und ein immer noch besserer Motor, traditionelle Karrieren – auf diese Parameter konnte man sich verlassen. Und jetzt?
Winter der Patriarchen
Jetzt hat sich der Wind gedreht. „Winter der Patriarchen“ titelte Capital kürzlich in Anspielung auf den berühmten Diktatorenroman des kolumbianischen Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez aus dem Jahr 1975. Die Zeit der großen, alten Bosse ist vorbei. Plötzlich haben diejenigen die Nase vorn, die unterschiedliche Organisationsformen unter einem Dach leben – groß und klein, traditionell und agil. Auf E-Motoren können sich Unternehmen nicht mehr mit ein bisschen Evolution einstellen – das ist Revolution. Und statt traditioneller Karrieren kommen mehr und mehr rotierende Rollen, flexible Modelle, Jobs auf Zeit. Es ändert sich derzeit … alles. Vor allem für Manager der Marke 50+. Was für mich heißt: Telefonieren … ohne Ende.
„Ja, ich habe eine Abfindung angenommen. Umstrukturierung, Disruption, Sie wissen schon“, höre ich dann. „Mit meiner Vita … Geschäftsführung … seit Dekaden erfolgreich … die Unternehmen warten auf mich … wann können wir uns unterhalten?“ Es ist immer der gleiche Fehler: Mit über 50 munter raus aus dem Unternehmen, siegesgewiss mit einer schönen Abfindung und ohne Anwalt, euphorisch angesichts einiger Urlaubswochen.
Was Fifty-Something-Manager unterschätzen: Auch High Performer treten um jede Position in Konkurrenz zu einer erheblichen Zahl gleich, ähnlich oder viel besser qualifizierter Kandidaten. Management-Kompetenz gibt es wie Sand am Meer. Auf jede attraktive Führungsposition bewerben sich Dutzende, manchmal Hunderte. Darunter finden sich vielleicht 30 sehr gute Profile, zehn Kandidaten werden eingeladen, einer bekommt den Job, die anderen nicht. Und das auf absehbare Zeit nicht. Ein Jahr, zwei Jahre … Exakt so sage ich das am Telefon: „Wachen Sie auf: Mit über 50 Jahren bekommen Ex-Führungskräfte wie Sie oft gar keinen Job mehr. Zumindest nicht so, wie Sie sich das vorstellen.“
Biografisches Rüttelbrett mit Detox-Effekt
Klack. Drei Monate Funkstille. Vielleicht vier. Manch ein Kandidat durchläuft ein Drama in fünf Akten: Jobverlust, Neuorientierung, Euphorie, Ernüchterung, Absturz. Manch einer rettet Ehe und Freundeskreis, Haus, Hobbies und die teure Ausbildung der Kinder mit Mühe über die Durststrecke – einige auch nicht. Ein biografisches Rüttelbrett, bestenfalls mit Detox-Effekt. Denn sobald Arroganz und Selbstüberschätzung abgefallen sind, wird der Blick frei für neue Perspektiven. Für neue Lebensentwürfe. Für neue Freiheiten. Interessiert? Hier 10 Perspektiven aus meiner Praxis:
1. Statt Konzern … Mittelstand: Innovationen – Batterien, Hubschrauber, E-Scooter – kommen längst nicht mehr nur von den großen Namen. Es sind oft die kleinen „Buden“, die hier die Nase vorn haben. Die sich aber mit Wachstum nicht auskennen. Beste Chancen für alte Hasen!
2. Statt Metropole … Provinz: Je enger und exklusiver Deutschlands Metropolen werden, desto mehr fällt ihnen das eigene Gewicht auf die Füße. Am Puls der Zeit ist nicht nur Berlin – das kann auch Passau sein oder Pforzheim, Bristol oder Bordeaux. „Der Ort“, schreibt Reinhard Sprenger, „der Kreativität wahrscheinlich macht, ist der Rand. Nicht die Metropole.“ Und Sie wollen in München bleiben?
3. Statt Erfolg … Experimente: Mal ehrlich: Wie oft sind Erfolge das Ergebnis von viel Fleiß und sehr viel Konformismus? Und wenn das stimmt: Nimmt Erfolg Ihnen dann nicht Ihre Freiheit? Und weiter: Ist es das wert? Wie wäre es, den Erfolg einzutauschen gegen das … Experiment? Natürlich kann ein Experiment auch misslingen. Na und? Wenn es schwierig wird, entstehen die besten Ideen.
4. Statt unbefristet … auf Zeit: Einen befristeten Job fürchtet mancher Kandidat so arg wie den Sensenmann. Doch muss es immer gleich lebenslänglich sein? Gerade erfahrene Kandidaten können als Interim-Manager zu ganz besonderer Form auflaufen und da Dinge bewegen, wo sich Wirkung zeigt: bei den Kleinen, den Agilen.
5. Statt lebenslang … Freelance: Wer bei Karriere immer an die Leiter nach oben denkt, übersieht die große Spielwiese. Freelancer genießen Autonomie – der Schritt in die Selbstständigkeit ist für gut vernetzte Ex-Führungskräfte, die finanziell ohnehin schon (so gut wie) frei sind, wohl die Perspektive mit den allergrößten Freiheiten. Funktioniert, wenn die Reputation stimmt, mit 50 so gut wie mit 60 und auch noch mit 80.
Die Zeit der großen, alten Bosse ist vorbei. Plötzlich haben diejenigen die Nase vorn, die unterschiedliche Organisationsformen unter einem Dach leben – groß und klein, traditionell und agil.
(Ex-)Führungskräfte um die 50 haben heute so viele Chancen wie selten zuvor, ihre ganz eigenen, guten „Kodak-Momente“ zu inszenieren.
6. Statt KPIs … Spielfelder: Ja, es gibt ein Job-Leben jenseits von Key Performance Indices. Wer zu konzentriert auf seine Ziele schaut, übersieht leicht die Chancen, mit denen er nicht gerechnet hatte. Also die meisten. Also Augen aufmachen.
7. Statt virtuell … total real: Analysen über das „Abenteuer, sich in der digitalen Welt neu erfinden zu müssen“ (Christoph Keese) lesen sich zwar spannend, sind aber undialektisch gedacht. Es ist eben nicht so, dass sich jegliches Business „entmaterialisiert“ und im digitalen Nirwana aufgeht. Im Gegenteil: Je mehr die Digitalisierung fortschreitet, desto mehr wächst auch die andere Seite. Online-Shops machen echte Läden auf, „Vintage“ schafft Mehrwert, Kunden wollen Wein, Schallplatten,
Notizbücher, Fahrräder und DIY-Werkstätten. Alles vom Feinsten. Nicht wenige Ex-Manager erfüllen sich jetzt den Traum vom eigenen Laden.
8. Statt Status … Sinn: Nicht jeder ist mit 50 die Statussymbole leid, nicht jeder sucht nach Sinn. Auch gut. Den Sinnsuchenden sei gesagt: Sinn findet man nicht. Man muss ihn erfinden. Am besten mit einer griffigen Mission für sich selbst. Und dann statt grübeln: machen. Das ist Freiheit. Oder, wie Rebekka Reinhard es auf den Punkt gebracht hat: „Radikale Freiheit lebt nicht davon, dass Menschen so handeln, wie sie „wirklich sind“. Radikal freie Menschen „sind“ vielmehr so, wie sie wirklich handeln.“ Also: Handeln Sie!
9. Statt Applaus … Dankbarkeit: Schon gewusst? Dankbarkeit macht zufriedener als Applaus. Wer mit über 50 auf 30 Jahre Berufsweg zurückblickt, dem fällt dazu sicher etwas ein. Erfolg speist sich eben nicht nur aus der Vertikalspannung Richtung Vorstand und Aufsichtsrat, sondern aus der Horizontalspannung. Freunde und Familie, Kunden und Kollegen, Mentoren und Mentees … Gut, wenn man’s merkt, bevor es zu spät ist. Und hier finden sich die besten Kontakte.
10. Statt Bonus … pro Bono: Wer finanziell frei ist, kann radikal frei arbeiten – ohne Vertragsbindung und Vertragsstrafen, ohne Kampf um den höchsten Umsatz und besten Parkplatz, den glanzvollsten Titel und den irrsten Bonus. Endlich können Sie Energie in Querdenkerprojekte stecken, Ihre Erfahrung ohne tausend Wenn und Aber ausspielen, Ihre Leidenschaften leben. Hier hinterlassen Sie echte Spuren.
Wirksam werden – von der Peripherie aus
Die Old Economy hat ihre Patriarchen in den Winterschlaf geschickt. Der neue Typ Automanager ist „nüchterner, stärker eingebunden und kontrolliert“. Er ist smart, aber auch defensiv, es regieren Zweifel, Anpassung, Kurskorrektur. „Das alte Geschäft muss“, schreibt Lutz Meier in Capital, „solange es noch läuft, das Geld liefern, um im künftigen Geschäft überhaupt mitspielen zu können.“ Eine Menge Druck ist das. Da wird das Blickfeld schnell eng, die Sicht auf Chancen verstellt.
Ist das nicht die beste Zeit, um den „Kodak-Moment“ neu zu denken? Tatsächlich gibt es ihn heute, wieder positiv besetzt, als App. Ich sage: (Ex-)Führungskräfte um die 50 haben heute so viele Chancen wie selten zuvor, ihre ganz eigenen, guten „Kodak-Momente“ zu inszenieren. Von der Peripherie aus, unerwartet, kreativ, radikal frei. Es ist nur eine Frage der Perspektive. Und des Timings.
Wenn Sie Ihre Perspektive ganz neu scharf stellen und das beste Timing für Ihre Second Career entwickeln wollen, aber nicht ganz sicher sind, wie das geht? Telefonieren Sie. Sie kennen die Nummer.
Literatur
Keese, Christoph: Disrupt Yourself. Vom Abenteuer, sich in der digitalen Welt neu erfinden zu müssen. Penguin 2018
Meier, Lutz: Winter der Patriarchen. In: Capital vom 20.12.2018; www.capital.de
Reinhard, Rebekka: Welche Freiheit brauchen wir? In: Hohe Luft 2/2017, Seiten 18 bis 25
Reinhard K. Sprenger: Radikal Digital. Weil der Mensch den Unterschied macht. DVA 2018