Dr. Wolfgang Eckelt im Dialog mit Michael Lohscheller | Top Company Guide

In dialog with Michael Lohscheller

CEO, Opel Automobile GmbH und Vorstandsmitglied der Groupe PSA

Nach schwierigen Jahren ist der traditionsreiche Automobilhersteller Opel wieder auf der Erfolgsspur: Nachdem bereits 2018 die Rückkehr in die Gewinnzone gelungen war, wurde im ersten Halbjahr 2019 ein operativer Rekordgewinn verbucht. Darüber hinaus ist Opel mit dem Strategieplan PACE! auf dem besten Weg, global und elektrisch zu werden. Das Comeback angeführt hat Opel-Chef Michael Lohscheller, der mittlerweile auch in den Konzernvorstand der französischen Groupe PSA berufen worden ist.

Herr Lohscheller, Sie haben mit Opel den Turnaround geschafft, eine bisher erfolgreiche Transformation eingeleitet und umgesetzt. Als Ergebnis kam Opel nach fast zwei Dekaden in die Gewinnzone und das operative Ergebnis im ersten Halbjahr 2019 war das beste der Unternehmensgeschichte. Was waren und sind die wesentlichen Treiber des erfolgreichen Turnaround?
Wir haben mit PACE! einen guten Plan, den wir konsequent umsetzen und der die Grundlage unseres Erfolgs ist. Die Leitlinien: Opel wird nachhaltig profitabel, elektrisch und global. Mit PACE! sind wir auf allen Ebenen des Unternehmens wettbewerbsfähiger geworden: Wir haben Kosten und Komplexität reduziert, die Einnahmen gesteigert. Was einfach klingt, ist allerdings alles andere als trivial. Der Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit der gesamten Mannschaft. Manche der Maßnahmen waren auch schmerzhaft, keine Frage. Aber das gehört auf einem solchen Weg dazu, schließlich hatte unser Unternehmen fast 20 Jahre lang Verluste geschrieben. Nun sind wir – dank PACE! – auf einem guten Weg, Opel zukunftsfähig aufzustellen – und das in einem Branchenumfeld, das selten schwieriger war.

Transformation stellt auch Bewährtes in Frage. „Out-of-the-box-thinking“ ist notwendig. Welche „alten Zöpfe“ haben Sie abgeschnitten, was grundlegend verändert?
Mit PACE! haben wir das gesamte Unternehmen auf den Kopf gestellt, haben wirklich keinen Stein auf dem anderen gelassen. Wir haben uns komplett hinterfragt. Das fängt bei Kleinigkeiten an, die oft aber symbolischen Charakter haben: Muss es zum Beispiel Kekse in internen Meetings geben? Oder müssen unsere Topmanager wirklich persönliche Fahrer haben? Ein schönes Beispiel dafür, wie grundlegend sich die Welt verändert hat: Während die Konzern-Führungsriege früher in Privatjets aus Amerika eingeflogen kam, ist PSA-Chef Carlos Tavares regelmäßig mit Billigfliegern unterwegs.

Überhaupt haben uns die Erfahrungen der Groupe PSA sehr bei unserem Turnaround geholfen. Schließlich steckte das Unternehmen vor einigen Jahren in einer sehr ähnlichen Situation wie wir vor der Übernahme und legte ein beeindruckendes Comeback hin. Das war die Blaupause für unseren Turnaround.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zu früher: PACE! ist kein Plan, der von teuren Unternehmensberatungen entwickelt worden ist. Es ist ein Plan von Opelanern für Opel, der konsequent umgesetzt wird. Es gibt keine Lippenbekenntnisse und Ausreden mehr. Wir liefern.

Bei einer Transformation müssen die Mitarbeitenden mitgenommen werden, ohne deren Zustimmung kann keine erfolgreiche Transformation gelingen. Wie haben Sie den „mindset change“ bewirkt?
Selbstverständlich kann man einen solchen Turnaround mit so tiefgreifenden Veränderungen nur schaffen, wenn man die Menschen mitnimmt. Die Bereitschaft, Dinge zu ändern, war auch da. Denn den Opelanern war klar, dass nach fast 20 Jahren fortwährender Verluste die Dinge grundlegend anders laufen müssen als früher. Als dann PACE! die ersten Erfolge mit sich brachte – beispielsweise die Rückkehr in die Gewinnzone im ersten Halbjahr 2018 – war das natürlich Balsam für die Seele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das hat den Menschen gut getan und ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

In der Transformationsphase ist eine offene, ehrliche Kommunikation sehr wichtig – gerade auch nach innen. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen natürlich wissen, wo das Unternehmen steht, um die notwendigen Management-Entscheidungen nachvollziehen zu können und hinter diesen zu stehen.

Opel ist nun innerhalb der PSA Gruppe ein Player in einem internationalen Konzernverbund. Mit der Integration von FCA entsteht ein sehr großer, äußerst heterogener globaler Player. Wie tragen Sie dafür Sorge, dass die Interessen von Opel in diesem Konzernverbund nicht zu kurz kommen? Welche Rolle wird Opel in diesem neuen Konzernverbund einnehmen?
Zuallererst: Durch den Zusammenschluss entsteht ein noch schlagkräftigerer Konzern, der gemessen am Umsatz der drittgrößte der Welt sein wird. Das ist in solch schwierigen Zeiten für die ganze Branche definitiv ein wichtiges Asset.

Die Fusion bietet auch für Opel viele Chancen. Denn wir werden auch in dem neuen, größeren Konzern die einzige deutsche Marke sein und für deutsche Ingenieurskunst stehen. Opel hat ein neues, starkes Selbstbewusstsein. Denn wir sind nachhaltig profitabel und werden global und elektrisch. Diesen Erfolgskurs werden wir fortsetzen – und uns auch in der neuen Konstellation mit unserem neuen Selbstbewusstsein einbringen.

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Auf welches Produktprogramm dürfen wir bei Opel gespannt sein?
Da dürfen Sie wirklich auf einiges gespannt sein! Denn wir setzen unsere Produktoffensive weiter fort. Aktuell führen wir beispielsweise die neue Generation unseres Flaggschiffs Insignia auf dem Markt ein – ein wirklich tolles Auto. Und wir bringen noch 2020 den Nachfolger unseres beliebten Kompakt-SUVs Mokka X auf den Markt. Das Auto wird etwas Besonderes sein, eine Art Lokomotive für die Marke. Einen ersten Ausblick auf das Auto hat unsere Studie GT X Experimental geliefert, die eine tolle Resonanz bekommen hat. Es wird in diesem Jahr sogar noch mehr von uns kommen, über das ich heute aber noch nicht im Detail reden kann.

Und auch 2021 wird es weitergehen mit Neuheiten von Opel, zum Beispiel bringen wir dann eine komplett neue Generation unseres Kompaktwagens Astra auf den Markt – inklusive einer elektrifizierten Version. Überhaupt steht die Elektrifizierung im Mittelpunkt unserer Unternehmens- und Produktstrategie: Bereits 2024 werden wir alle unsere Modelle auch in einer elektrifizierten Variante im Angebot haben.

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Welche Rolle spielen Klimaschutz und Nachhaltigkeit bei Opel?
Eine große! Nehmen Sie das Beispiel der CO2-Emissionen unserer Fahrzeugflotte. Es gibt strenge Ziele in Europa – und diese werden wir einhalten. Für uns ist das alternativlos; wir wollen uns nicht durch Strafzahlungen aus unserer gesellschaftlichen Verpflichtung freikaufen. Und das ist nicht primär das Ergebnis einer finanziellen Abwägung, sondern vielmehr eine ethische Frage. In den vergangenen Monaten ist es sehr deutlich geworden, dass die Menschen die klare Erwartungshaltung haben, dass wir als Branche unseren Beitrag leisten, um die Klimaerwärmung zu begrenzen. Und dieser Anforderung müssen wir gerecht werden. Deshalb haben wir eine konsequente Elektrifizierungsstrategie erarbeitet, die wir nun umsetzen. Wir haben einen klaren Fahrplan: vier elektrifizierte Modelle in diesem Jahr, acht im Jahr 2021 und 2024 ein vollständig elektrifiziertes Angebot.
Ich bin sicher: Mit unserer Strategie werden wir in Sachen CO2 eine Führungsrolle einnehmen.

Allerdings bedarf es eines gesamtgesellschaftlichen Schulterschlusses, um Elektromobilität nach vorne zu bringen. Auch die Politik und andere Stakeholder müssen mitanpacken, um die Technologie zu einem Erfolg zu machen. Denken Sie nur zum Beispiel an das Thema Infrastruktur.

Bereits 2024 werden wir alle unsere Modelle
auch in einer elektrifizierten Variante im
Angebot haben.

Sie sitzen als erster deutscher Automobilmanager im PSA Vorstand, wie ordnen Sie den Stellenwert dieser Berufung ein?
Meine Berufung in den Konzernvorstand ist eine Anerkennung für das Engagement, das die Opel-Mitarbeiter seit der Übernahme im Jahr 2017 und beim Turnaround gezeigt haben. Die Stimme von Opel wird im Konzern gehört. Ich bin wirklich stolz auf das, was wir als Team geleistet und erreicht haben.

Sie sind begeisterter Marathonläufer, welche Aspekte des Langstreckenlaufs lassen sich auf die Managementaufgaben in der Automobilindustrie ummünzen?
Sowohl ein Marathon als auch die Arbeit in einer Branche, die so sehr von Disruption geprägt ist wie die Automobilindustrie, ist eine große Herausforderung. Man braucht einen langen Atem und die Bereitschaft,
sich zu quälen. Denn wie bei jedem Marathon können – gerade auch in einer unvorhersehbaren Zeit wie der heutigen – Probleme entstehen, die man so gar nicht auf dem Radar hatte. Denken Sie nur an den Brexit oder globale Handelsstreitigkeiten. In solchen Situationen zählt es, sich anzupassen; also das große Ziel vor Augen zu haben und mal Tempo rauszunehmen oder eben Gas zu geben, um die eigenen Ziele doch noch zu erreichen.
Grundsätzlich ist das Laufen für mich aber eher das Gegenteil der Arbeit: nämlich Entspannung. Ich kann beim Laufen abschalten und in Ruhe über Dinge nachdenken.

Dr. Wolfgang Eckelt, High Performance | Top Company Guide