In dialog with Dr. WolfganG K. Eckelt + Top Company Guide
Als LinkedIn Voice äußert er sich zu Themen wie: #career #branding #leadership #management #businessethics.
Herr Eckelt, Corona ist vorbei. Läuft auf dem C-Level jetzt alles wieder rund?
Ganz und gar nicht. Die Menschen haben sich in den vergangenen drei Polykrisen-jahren massiv verändert, das Commitment ist in vielen Teams nicht mehr das gleiche. Vor allem hat sich die Zusammenarbeit auf allen Hierarchie-Ebenen verändert, seitdem Homeoffice nicht mehr als Ausnahme gesehen wird, sondern als Teil einer neuen Realität. Viele Business-Netzwerke sind eingestaubt, manche sogar zerrissen. Statusmarker sind jetzt nicht mehr die teure Uhr aus der Schweiz, der Maßanzug aus Italien und die Redezeit am Konferenztisch, sondern Fahrrad, Hund und Tagesfreizeit.
Was ist denn an Fahrrad, Hund und Freizeit problematisch?
Per se erst einmal gar nichts. Aber haben Sie schon einmal einen C-Level-Manager gesehen, der seine Netzwerke auf dem Fahrradweg pflegt? Beim Gassi gehen? Beim Mittagsschlaf? Das funktioniert nicht.
Wer Großes bewegen will, der braucht die Nähe zu den besten Köpfen. Der braucht die Runde am großen Tisch. Der braucht gemeinsame Zeit. Der braucht die direkte Resonanz. Das funktioniert nicht mit ein wenig Führungsshow im Fernsehformat.
Warum nicht?
Weil Charisma nichts ist, das in der Persönlichkeit eines Managers sitzt und sendet, sobald er Kamera und Mikrofon anknipst. Charisma ist keine Eigenschaft, sondern Wirkung. Charisma entsteht in der Wahrnehmung meines Gegenübers. Damit es dort entsteht, kann ich als Führungskraft keinen Knopf drücken – ich kann den gewünschten Effekt höchstens begünstigen. Zum Beispiel, indem ich mich auf unternehmensinternen Bühnen zeige. Zeigen sich Personal Brands nicht auf relevanten Bühnen, dann sinkt der Wert ihrer Marke.
Wirklich? Sind Konferenztische denn überhaupt noch zeitgemäß? Und haben nicht andere Bühnen – interne Kommunikationsplattformen, LinkedIn, Twitter – die analogen Auftritte der High Performer längst ersetzt?
Auf keinen Fall. Für die Welt der Unternehmen gilt hier das gleiche Prinzip wie für den politischen Raum. Ein Beispiel: Dass Wirkung immer noch auf Präsenz beruht, auf ganz archaischer, auf physischer Präsenz, ließ sich im Februar 2023 beobachten, als sich US-Präsident Biden plötzlich in Kiew zeigte. Mit seiner Personal-Brand-Sonnenbrille. Unter Lebensgefahr. Der Effekt dieser Intervention wäre längst nicht so groß gewesen, hätte man vor der Sophienkathedrale eine Zoom-Konferenz auf Leinwand projiziert. Es ist die persönliche Angreifbarkeit eines Menschen, es ist seine tatsächliche Präsenz, die Stärke beweist und Vertrauen wachsen lässt.
Warum ist der Faktor Vertrauen für Führungskräfte wichtig? Reichen nicht Weisungsbefugnis, Hierarchie und Rolle?
Dass die Rolle allein zum Führen reicht, stimmt zwar formal. In der Praxis aber braucht es viel mehr. Studien zeigen: Wo es kein Vertrauen gibt, da stimmt die Leistung nicht. Andererseits weiß man auch: Schlägt das interne Vertrauen in blinde Gefolgschaft um – also in zu viel Vertrauen – dann geht die Leistung auch wieder zurück. Die Kurve ist umgekehrt U-förmig: High Performance braucht ein stabiles, mittleres Maß an internem Vertrauen. Die Balance zwischen zu wenig und zu viel Vertrauen lässt sich am besten in der gemeinsamen Kommunikation vor Ort herstellen. Man kennt das doch aus dem Alltag: Die meisten Fernbeziehungen zerbrechen langfristig an Unterkühlung oder an Idealisierung. In ersterem Fall geht die Emotion vor die Hunde, im zweiten Fall der Verstand.
Und dagegen hilft persönliche Kommunikation?
Sie hilft dann, wenn sie nicht als harter Schlagabtausch im Talkshow-Format abgefeiert wird, sondern, wenn echter Dialog stattfindet. Dann lassen sich Emotionen regulieren und Argumente verhandeln.
Gilt diese umgekehrte U-Beziehung auch für externe Vertrauensbeziehungen?
Nein. Zwischen der Stärke der nach außen gepflegten Netzwerke und der Performance besteht eine positive lineare Beziehung. Je besser das Netzwerk, desto höher die Leistung. Eigentlich also ganz einfach. Doch was viele beim Thema Networking unterschätzen, ist die natürliche Entropie.
Was hat Physik mit Networking zu tun?
Entropie beschreibt Unordnung in einem Teilchensystem. Je mehr Teilchen, je höher ihr Tempo und die Zahl ihrer möglichen Anordnungen, desto schneller gerät das ganze System in Unordnung. Bringt man also nicht ständig Energie auf, um sein Netzwerk in Ordnung zu halten, zerreißt es. Geht kaputt. Es dann neu aufzuspannen, macht sehr viel mehr Arbeit, als es jede Woche mit einigen Stunden Aufwand in Schuss zu halten.
Sind während der Pandemiejahre dann nicht überall Netzwerke zerrissen?
So ist es. Die Arbeitsbedingungen der Pandemie haben viel zu viele Menschen zum Schweigen gebracht. Regelmäßige Konferenzen und Branchentreffen sind ausgefallen, etliche Formate sind bis heute nicht wiederbelebt worden. Das hat die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zurückgeworfen. Nicht nur gefühlt, sondern messbar: Eine Microsoft-Studie zeigt, dass Netzwerke auf einzelne Silos zusammengeschrumpft sind, die dann weniger untereinander kommuniziert haben als zuvor. Der Wissenstransfer hinkte, die Leistung sank.
Unter dem Radar fand natürlich weiterhin Networking statt. Überall wurden Freiräume gesucht und oft auch gefunden, um weiter persönlich in Verbindung zu bleiben. Vor diesem Hintergrund sind auch meine Baustellengespräche mit Top-Managern entstanden, über die ich in meinem jüngsten Buch Re\Think nachgedacht habe. Da ließ sich doch einiges einfangen, da konnten einige Verbindungen aufrecht erhalten werden. Aber insgesamt viel zu wenige.
Haben Sie schon einmal einen C-Level-Manager gesehen, der seine Netzwerke auf dem Fahrradweg pflegt? Beim Gassi gehen? Beim Mittagsschlaf?
Wie lässt sich das wieder einfangen?
Jedenfalls nicht mit Networking von vorgestern: ältere Herren zum Lunch treffen, der eine ist Malermeister, der andere Steuerberater und irgendwo sitzt ein Bestatter. Das sind vorgestrige Clubs nach englischem Vorbild, das sind pseudoheilige Hallen mit verschlossenen Türen, hinter denen sich Have-beens Kartoffelsalat mit Schäufele genehmigen. Diese alte Welt wollen Führungskräfte heute nicht mehr.
Was wäre zeitgemäßes Networking?
Genau das habe ich meine Gesprächspartnerinnen und -partner während der Corona-Jahre gefragt: »Wenn Sie Networking ganz neu erfinden könnten, wie sähe das aus?« Alle wünschten sich Kontakte auf Augenhöhe und einen klaren Fokus auf C-Level. Alle wollten Offenheit für alle Altersgruppen, Internationalität, und bitte keinen reinen Männerclub.
Alle wussten um den Wert von inspirierenden Gesprächen, von Vertrauen durch persönliche Begegnungen, und dass auf dieser Basis nicht selten neue Ideen entstehen. Neues Business. Vor allem, wenn der Rahmen höchste Diskretion garantiert.
Also Davos, nur jetzt in Stuttgart?
Im Gegenteil. Es geht um Vertraulichkeit statt Abgehobenheit. Gewünscht sind kleine, flexible, bodenständige Formate. Aber Stuttgart stimmt.
Hier gibt es keinen Similaun, keinen großen Airport Club …
… und deshalb habe ich eine neue Plattform geschaffen: den Leaders Club STR. Ein neuer Business Club mit handverlesenen Mitgliedern. Bewerbungen sind seit einigen Monaten möglich, die Mitgliedschaft im Leaders Club erfolgt auf Einladung. Der Club richtet sich ausschließlich an Persönlichkeiten auf C-Level, an Unternehmer und Gründer. Hier kommen Menschen in kleinem Rahmen zusammen, die sonst nicht unbedingt einen gemeinsamen Kaminabend verbringen: Wettbewerber und potenzielle Kunden, Industrieveteranen mit Kontakten in alle Welt und internationale Start-ups.
Was raten Sie denjenigen, die in den neuen Leaders Club STR aufgenommen werden?
Öffnen Sie sich. Suchen Sie den Dialog. Loten Sie gemeinsam neue Perspektiven aus, für die Branche, für sich selbst. Und nutzen Sie gerne die gesamte Palette an Eckelt Consulting-Dialogformaten in Stuttgart, vom Großevent – Sie kennen den jährlichen Business-Talk – über individuelles Coaching bis zur persönlichen Einladung zu exklusiven Events. Die Angebote sind da. Nur den ersten Schritt, den müssen Sie selbst gehen.
Warum geht es nicht ohne Networking?
Ich sage immer: Wie tragfähig das Netz ist, in das Sie hoffentlich jahrelang investiert haben, merken Sie erst in der Krise. Also dann, wenn es zu spät ist.