Formel E – High Voltage
Brand Personalities / Formel E
E-Kart-Feeling in Berlin-Tempelhof
Ich bin bei meinem ersten Rennen der Formel E. Auf dem ehemaligen Flughafengelände in Berlin-Tempelhof. Hier startete die Formel E, musste dann nach Berlin-Mitte ziehen und nachdem das einigen doch zu sehr downtown war, ging es wieder zurück in diese historische Kulisse.
Eine der wirklich faszinierenden Facetten: Weil die Formel-E-Autos keine Abgase produzieren, werden die Rennen mitten in der Stadt ausgetragen. Quasi Monaco 13 Mal im Jahr.
Und das ist auch die Philosophie dahinter: Es soll eine neue, urbane Generation angesprochen werden, die nicht mit eigenem Auto anreist, sondern mit dem Rad oder der U-Bahn bis zum Rundkurs fährt.
Formel E möchte ein neues Lebensgefühl repräsentieren: Nahe am Menschen, neu gedacht, jung, urban. Passend zur jungen, sozial vernetzten Generation mit hohen Ansprüchen an Spannung und Unterhaltung. Die mit Carsharing, E-Autos und Sneakern aus recyceltem Weltmeer-Plastik aufwachsen.
#AllTheWayABT
Genau wie der smarte Daniel Abt. Und wenn Sie nun denken, „Abt“ wie „Audi“, dann denken Sie richtig. Daniel Abt ist der Sohn von Hans-Jürgen Abt, Geschäftsführer der Sportperformance-Firma Abt Sportsline und des hauseigenen Rennstalls. Somit hatte der Sohn „Benzin im Blut“ und fuhr die ersten Kart-Meisterschaften schon mit 9 Jahren. Mit 11 Jahren Vizemeistertitel der ADAC-KF2-Kart-Meisterschaft. Danach große Karriere in der Formel 3 und den GP2- und GP3-Serien, Langstreckenrennen, dann der Wechsel in die Formel E und hier arbeitet er sich kontinuierlich ganz nach vorne.
Dazu hat er, was ein moderner Sportler haben muss: Charme, Ehrgeiz, einen YouTube-Kanal mit 241 Tausend Abonnenten und 176 Tausend Follower auf Instagram. Seine „Vlogs“ sind professionell, die Fotos ebenfalls, er kann sich gut vor der Kamera präsentieren. Genau der richtige Hero für seine Zielgruppe.
Auch ich spreche gerne mit ihm, er ist motiviert bis in die Haarspitzen, freundlich und heiß auf den Sieg.
Attraktiv im Detail
Auch wenn ein Kritikpunkt war, dass die E-Boliden im Schnitt langsamer unterwegs sind als die Formel-1-Kollegen, so wird das durch enge und anspruchsvolle Stadtkurse wieder wettgemacht und bleibt für den Zuschauer interessanter. Der neue Tempelhof-Kurs hat ein sehr technisches Infield und auf langen Geraden wird die enorme elektrische Beschleunigung zum Thema.
Weitere Neuerung: Der gesamte Renntag findet tatsächlich an einem Tag statt, also vom Qualifying bis zum Rennen. Das ist natürlich für die Fans, die doch etwas weiter als drei U-Bahn-Stationen angereist sind, super! Apropos Fans: Das ist hier auch ein ganz anderes Miteinander. Die Rennfahrer sind nicht so unnahbar wie in der Formel 1, sie sind für ihre Fans da, geben jederzeit Autogramme und – brauchen die Fan-Kulisse natürlich auch für das nächste YouTube-Video.
Fan-Boost
Wir befinden uns in Season 5, die Formel E ist noch jung, Daniel Abt auch und so hat er immer ein Autogramm und ein Selfie für seine Fans. Einige begleiten ihn schon Jahre, dabei bringen sie von Fotos über Kappen auch mal den Playstation-Controller zum Signieren. Denn bei der Formel E sind die Fans am Drücker: Über Internet und soziale Netzwerke voten sie vor jedem Rennen für ihren Lieblings-Fahrer. So erhalten die drei beliebtesten Fahrer des Rennens einen „Fan-Boost“, das heißt, für fünf Sekunden 30 PS mehr. Cool.
Und neu: der „Attack-Mode“. Hier kann ein Fahrer über bestimmte Kontaktschleifen fahren, um dann ebenso ein paar PS mehr zu nutzen. Das ist wirklich, wie wenn Mario ein paar Sterne einfährt.
1,2 für Audi in Tempelhof
Das Rennen in Tempelhof hat für meinen Geschmack alles: Es ist schnell, spannend, die Strecke ist interessant und es ist sicherlich nicht so vorhersagbar wie in der Formel 1. Ich hatte sogar die Ehre, in der Boxengasse die Konzentration und die neue Technik zu sehen und zu spüren. Ganz ohne Abgas-Wolken. Der deutsche Hoffnungsträger Daniel Abt holte sich den Sieg und auch auf Platz 2 war Audi mit Lucas di Grassi erfolgreich. Nur der Motor-Sound fehlte mir doch etwas. Aber ich war begeistert. Und wollte mehr erfahren.
Der Erfinder der Formel E: Alejandro Agag
Ich treffe ihn in Valencia. Dort darf ich bei einem besonderen Event dabei sein: Es werden die neuen Fahrzeuge der Saison vorgestellt und Agag nimmt sich die Zeit, zu sehen und zu beurteilen. So habe ich das Glück, losgelöst von Stress und Hektik eines Rennens, direkt in der Boxengasse die Rennwagen zu bewundern, entspannt mit Verantwortlichen zu sprechen und mehr über diese faszinierende Rennabteilung zu erfahren.
Alejandro Agag wurde als Sohn eines algerischen Bankers in Madrid geboren, studierte Betriebswirtschaftslehre und machte in den Finanzen Karriere, war Mitglied des EU-Parlaments. Eines Tages konnte er seine Leidenschaft für Motorsport mit dem Geschäftlichen verbinden und managte Übertragungsrechte der Formel 1, kaufte mit Flavio Briatore zusammen die TV-Rechte für das Formel-1-Rennen in Spanien, doch in 2002 war das seiner Zeit voraus. Das Interesse war nicht sonderlich.
Radikaler Pionier
Und genau das macht ihn aus. Ihn interessiert das Neue, das Besondere. Er glaubt an die Idee der Formel E und an die Elektromobilität an sich. Auch wenn die Formel E schon in der ersten Saison fast pleite war. Die Eventmanager verzweifeln fast an der Aufgabe, die Rennen mitten in den dicht besiedelten Großstädten dieser Welt auszutragen. Doch genau das ist ihm wichtig. „Wir müssen die Formel E direkt zur jungen, urbanen Generation bringen. Keine unbezahlbaren Ticketpreise und Rennstrecken, die ohne Auto nicht erreichbar sind. Wir bringen die Zukunft der Mobilität direkt in die Großstädte.“
Und um bereits Schulkinder von der Formel E zu begeistern, setzt der charismatische Agag auf Interaktion wie u. a. beim „Fan-Boost“: „Die heutige Generation ist es gewohnt, überall ihre Meinung zu sagen oder
wenigstens Likes oder Dislikes zu vergeben. Die jungen Menschen lassen sich nichts vorgeben, sie bestimmen mit.“
„Schaufenster Zukunft“
Die große Attraktivität der neuen Formel E hat weite Kreise gezogen: Audi, BMW, Jaguar – große Marken sind schon in der Formel E aktiv. Grund: Der Technologietransfer ist ein eminenter Vorteil. Auch Porsche verabschiedet sich von der Topklasse in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC), um in der Formel E zu starten. Und Mercedes-Benz hat sein DTM-Engagement beendet, um neue Wege in der Formel E zu gehen.
Ebenso sind viele Rennfahrer von der neuen Attraktivität des Dynamischen und Unvorhersehbaren so angezogen, dass der ehemalige Formel-1-Grand-Prix-Sieger Felipe Massa beim Venturi-Team unterschrieben hat, dessen Mitgründer übrigens Leonardo DiCaprio ist. Außerdem gab McLaren-Pilot Stoffel Vandoorne seinen Wechsel bekannt, vielleicht auch bald Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, den wohl wegen der Formel-1-Emissionen das grüne Gewissen plagt. Ein anderer Formel-1-Weltmeister ist schon vollkommen überzeugt und hat in die Formel E investiert: Nico Rosberg sieht in der Elektromobilität die Zukunft und engagiert sich daher stark in der Formel E. Auch in Vlogs von Daniel Abt.
Visionär der Antriebstechnik
Ebenfalls in Valencia konnte ich einen der großen Denker der Automobilindustrie treffen, Professor Dr. Burkhard Göschel. Ein Visionär und kluger Kopf, dem, ähnlich wie Daniel Abt, die Begeisterung für Motoren in die Wiege gelegt wurde. Sein Vater war bei Daimler-Benz führend an der Entwicklung der Benzindirekteinspritzung beteiligt.
Göschel selbst war lange Jahre in der Motorenentwicklung bei BMW tätig und dort für den ersten Dieselmotor sowie den V12 Motor verantwortlich. Ein wichtiger Meilenstein, um BMW wieder „premium“ zu machen. Und auch wenn dieser Mann gerne schnell fährt und viele PS unter der Haube spürt, so geht es ihm seit seiner Dissertation auch um Effizienz.
In 2000 wird er Entwicklungsvorstand, als sich BMW nach der Trennung von Rover neu definieren muss. Seine Antwort: effiziente Dynamik. Doch mit „Efficient Dynamics“ die CO2-Emissionen der gesamten Modellpalette zu senken, reicht ihm nicht. Der Kunde soll es an der neuen Start-Stop-Automatik spüren.
Als er altersbedingt bei BMW ausscheidet, treibt er bei Magna vor rund 10 Jahren die Entwicklung des Elektroautos voran, nun ist er seit 2010 Präsident der Electric and New Energies Championship Commission der FIA.
Er gilt als Graue Eminenz der Formel E. Ein spannendes Feld, da in der Season 5 mit dem Fahrzeug Gen2 auch neue technische Möglichkeiten präsentiert werden. Zum einen müssen alle Fahrzeuge die neue standardisierte Batterie von McLaren verwenden. Eine weise Entscheidung, die noch junge Formel E nicht zur Geld- und Technikschlacht ausarten zu lassen. Auch ein „Brake-by-wire-System“ ist in aller Munde. Das bedeutet, dass die Rekuperation beim Bremsvorgang nicht schematisch abläuft, sondern der Fahrer Einfluss nehmen kann auf die Intensität.
Göschel hält sich noch bedeckt: „Wir überlegen, welchen Einfluss dies auf die Formel E haben kann. Grundsätzlich ist es unser Ziel die Formel E immer dynamischer und spannender zu gestalten, um die jungen Menschen dafür zu begeistern. Als weitere Etappenziele sind beispielsweise Rallyecross und Kartsport mit Elektromotoren angedacht.“ Denn davon ist der Herr der Antriebe überzeugt: „Elektro-Antriebe, aber auch Brennstoffzellen sind die Zukunft“.
Mein Fazit: attraktiv, spannend, nahbar.
Auch wenn ich selber aus einer Zeit komme, in der das Blubbern eines Zwölfzylinders oder das Motorengeräusch eines 911 wohlige Gefühle auslösen, so sehe ich doch deutlich: Diese Zeiten sind vorbei. Heute bin ich elektrisiert von der Formel E, die mich im positivsten Sinne an die rasanten Rennen der Carrera-Bahn meiner Kindheit erinnern. Und ich freue mich auf das Mitfiebern bei den Happenings mitten in den großen Metropolen der Welt und auch auf das digitale Mitzocken von der Couch aus. Ich denke, hier bricht eine neue Ära an und das wird zweifelsohne die Zukunft.