Dr. Wolfgang Eckelt im Dialog mit Sajjad Khan | Top Company Guide

Cognizant Mobility GmbH

In dialog with Jörg Ohlsen

Geschäftsführer
Cognizant Mobility GmbH

Wie man Car-IT-Unternehmen in den globalen Kontext setzt.

Herr Ohlsen – Sie haben die einstmals ESG Mobility zum erfolgreichen und globalen Partner Cognizant geführt, woraus nun die Cognizant Mobility entstand. Bei Cognizant denkt man unweigerlich auch an die Formel 1 und den Aston-Martin-Rennstall, dessen Hauptsponsor Cognizant ist. Sind Sie also im Geheimdienst Ihrer Majestät unterwegs im Automotive-Sektor?
(lacht) Na, wohl eher im Auftrag der Mobilität, würde ich sagen. Cognizant ist viel mehr als Aston Martin, und was wir machen, ist nicht wirklich geheim, zumindest nicht im Großen und Ganzen.

Was sind denn die geheimen Aufträge der Mobilität?
Wenn ich Ihnen das verrate … na, Sie kennen den Spruch ja. (beide lachen)

Aber im Ernst – Cognizant ist natürlich nicht nur Formel-1-Sponsor, sondern ein Global Player im Bereich IT, Mobilität und Innovation. Hier sinnvolle Synergien zu erkennen und sich mit diesen zu befassen, war ein wichtiger Schritt bei der Suche nach einem strategischen Partner, mit dem sich die – damals – ESG Mobility in die Zukunft führen ließ. Connectivity ist dabei eines dieser, zugegeben, oft zitierten, vermeintlichen Zauberworte und zählt zu wichtigen Treibern von Produktwerten in der unmittelbaren Zukunft. Wobei …

Wobei …?
… sicher auch ein Geheimagent sich in seinem Aston Martin über einige toll vernetzte Gadgets gefreut hätte. So ein Spurhalteassistent ist bei einer wilden Verfolgungsjagd vermutlich nicht zu verachten.

Das stimmt! Welche weiteren Erkenntnisse, geheim oder nicht geheim, haben Sie denn in den letzten Jahren aus Ihrer Tätigkeit im Car- bzw. Mobility-IT-Sektor gewinnen können?
Eine wichtige Erkenntnis war und ist, dass Digitalisierung keine finale Lösung, sondern ein weiterer Schritt auf dem Weg der digitalen Transformation ist. Ich sehe, dass wir gerade dabei sind, den nächsten Schritt zu gehen. Ein Schritt, bei dem die Softwareentwicklung im industriellen Maßstab, ähnlich einem Fabrikprodukt, gedacht werden muss – Stichwort »Software Factory«. Und das schafft wieder völlig neue Herausforderungen. Alles ist Software, over-the-air und autonom.

Alles ist früher oder später in die Cloud migriert. Aber wie erreichen wir einen industriellen Maßstab in der Softwareentwicklung, um die nächsten 300 Millionen Codezeilen zu warten? Zu kritischen Erfolgsfaktoren werden nun Prozesse und Technologien, die es schaffen, Komplexität in der Entwicklung handhabbar zu machen: Software-Testing durch künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation und so weiter. Das sind Themen, die ich allzu oft vermisse, wenn es um Digitalisierungs-Visionen geht.

Spielt Software in Ihrer Wahrnehmung in der Branche also eine noch größere Rolle, als heute flächendeckend besprochen wird?
Definitiv. Wer Digitalisierung sagt, muss auch Software sagen, das geht nicht ohne einander. Die Wertschöpfung im Auto im Besonderen und in der neuen Mobilität im Allgemeinen verlagert sich schon jetzt so rasant in den Bereich der Softwareentwicklung, dass weder die OEMs noch die Zulieferer darauf wirklich vorbereitet sind. Was gleichermaßen witzig und tragisch ist, da ich seit Jahren für eine übergreifende Herangehensweise und Kooperationen auf diesem Gebiet werbe. Dass sich viele Hersteller und Anbieter aus der Zuliefererkette nun etwas schneller von den Entwicklungen eingeholt sehen, wundert mich daher wenig. Schließlich muss die Softwareentwicklung mindestens so leistungsfähig sein wie die reine Hardware.

Das führt nach meiner Einschätzung zu mindestens einer Verdoppelung der Softwarekosten im Fahrzeug – das dennoch wettbewerbsfähig sein muss. Auf lokaler Ebene sind weder Skills noch Ressourcen im industriellen Maßstab vorhanden, den wir aber benötigen, um wettbewerbsfähig zu sein. Außerdem möchten die Hersteller natürlich immer mehr Wertschöpfung im eigenen Hause realisieren. Das schafft einen weiteren, unbestreitbaren Druck, da nicht alle Zulieferer sich auf diese neuen Gegebenheiten rechtzeitig umstellen werden können. Wir sprechen hier immerhin von einem Markt im Bereich von mehreren hundert Milliarden Euro, der fundamentalen Veränderungen ausgesetzt ist. Es wird spannend zu beobachten, welche Unternehmen in die Riege der globalen Spieler aufgenommen werden.

Dr. Wolfgang Eckelt im Dialog mit Jörg Ohlsen

Interessante Prognose. So wie die Cognizant Mobility?
Wenn man das so sehen möchte, sicherlich. Das geschilderte Level an Veränderung in der Softwareentwicklung des Mobilitätsbereichs ist keine lokale Kapsel. Software muss man im globalen Kontext im großen Maßstab denken. Und genau dahin habe ich Cognizant Mobility geführt.

Zudem bleibt zu beachten, dass technologische Verknüpfungen heute für jeden Erfolg in der Branche unersetzbar sind. Wir sind angewiesen auf IT-Größen wie Amazon oder Microsoft, vor allem natürlich im Cloud-Umfeld. Wie schon vorhin angedeutet, habe ich schon vor bestimmt fünf Jahren gesagt, dass Alleingänge im Softwareentwicklungs-Umfeld schwierig werden. Ich würde das heute sogar noch verschärfen und behaupten, dass es inzwischen unmöglich ist, autark zu bleiben, da beispielsweise Großteile der Betriebssysteme in Fahrzeugen nur über zugekaufte Frameworks oder Module der großen Hyperscaler realisiert werden können. Genau deshalb habe ich die Cognizant Mobility bewusst in eine vernetzte Gegenwart geführt, im globalen Kontext gedacht, und letztlich in die strategische Partnerschaft mit einem der bestvernetzten Akteure auf internationaler Ebene geleitet.

Ein gutes Stichwort, Herr Ohlsen. Die Marke Cognizant Mobility wurde von Ihnen ins Leben gerufen und Sie können bereits auf beachtliche Erfolge blicken. Wofür genau steht die Marke?
Cognizant Mobility ist in meiner Wahrnehmung genau die Brücke zwischen lokalen Märkten und Big IT, die wir jetzt und auch in Zukunft brauchen. Wir sind Experten im Ökosystem Mobilität und kennen den lokalen Markt, sind aber besonders eng mit international aufgestellten IT-Playern verbunden. Cognizant Mobility skaliert seine Kunden, wenn man das so formulieren möchte, gemeinsam in die neue, industriell gedachte und globale IT-Welt.

Software-Testing durch künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation und so weiter. Das sind Themen, die ich allzu oft vermisse, wenn es um Digitalisierungs-Visionen geht.

Herr Ohlsen, Sie sind seit 30 Jahren im Automotive-Sektor tätig und praktisch ein alter Hase, wenn man das so sagen darf. Aber auch Flemings Agenten-Figur hat seine größten Erfolge jenseits seiner Anfangsjahre verzeichnet. Trifft das auch auf Sie zu? Was waren die Herausforderungen vor diesem Erfolg?
Nun, ich würde mich wirklich nicht mit einem Geheimagenten gleichsetzen wollen. Aber was Flemings Figur und ich vielleicht gemeinsam haben könnten, ist die akribische und gewissenhafte Vorbereitung, und möglicherweise auch das Ausloten von ungewöhnlichen Vorgehensweisen. Viele Marktbegleiter achten sehr darauf, was sie anders machen können als Wettbewerber, und übersehen dabei, dass sie sich vielleicht lieber darauf konzentrieren sollten, was sie statt anders einfach besser machen könnten.

Mich inspiriert beispielsweise immer die Jugend. Achten Sie mal darauf, wie Kids, echte Digital Natives, heute mit Technologie umgehen. E-Mails, Facebook, Computerspiele? Alte Hüte! Kids haben heute nicht mal mehr einen Computer zuhause stehen. Das ist eine ganz andere Welt, eine andere Wahrnehmung dieser Welt, und auch ein anderer Grad an Einflussnahme.

Stichworte wie Augmented Reality kommen einem gedanklich, die Einzug in die Fahrzeugindustrie halten, zuvor aber in Spielen wie Pokémon Go im Alltag regelrecht getestet wurden. Wir – und damit meine ich gerade langjährige Mitstreiter wie uns, die den Markt seit Jahrzehnten kennen – müssen davon lernen, unbedingt. Es reicht nicht mehr, den Status quo und dessen Folgen für ein paar Jahre in den Kontext eines mobilen Ökosystems zu setzen, das für die nächsten Jahre Gültigkeit besitzt. Wir müssen in die Zukunft blicken und mögliche Entwicklungen vorausahnen. Dazu müssen jugendlicher Esprit und Branchenkenntnis zusammenarbeiten, anders geht das nicht. Diese Selbstverständlichkeit, mit der vor allem junge Menschen an IT, an Software, an Technik herangehen – die müssen wir absehen, einschätzen und vielleicht ein klein bisschen steuern, um uns daran zu orientieren. Denn die Kids von heute? Das sind die Global Player von morgen, aus Hersteller- wie auch aus Consumer-Sicht.

Das klingt sinnvoll, und wir bedanken uns für diese sehr interessante Einsicht in Ihre Perspektive auf die Entwicklung der Automotive-Branche. Erlauben Sie uns zum Schluss noch eine klassische Frage, die wir uns nicht verkneifen können: Geschüttelt oder gerührt, Herr Ohlsen?
(lacht) Ich glaube, die gesamte Branche wird aktuell eher geschüttelt, damit sich was rührt.

Vielen Dank für das Interview, Herr Ohlsen!

Dr. Wolfgang Eckelt, High Performance | Top Company Guide