Im Dialog mit René Wolf
Ford-Werke GmbH

In dialog with René Wolf

Geschäftsführer für Fertigung, Ford-Werke GmbH

Ford baut seinen Kölner Standort zum ersten europäischen Electrification Center um. Ab 2023 läuft hier das erste vollelektrische Volumenmodell von Ford in Europa vom Band. Das bedeutet mehr als nur einen Umbau des Werks und die Einführung eines neuen E-Modells. Es geht um die größte Transformation in der Unternehmensgeschichte. Fertigungschef René Wolf erklärt, warum.

Herr Wolf, Ford baut sein Werk in Köln zum Electrification Center um. Was heißt das genau?
Wir treiben die Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte vehement voran, und Köln wird bei diesem Vorhaben eine zentrale Rolle für Ford in Europa spielen. Hier wird ab 2023 das erste vollelektrische Volumenmodell von Ford für Europa vom Band laufen. Entsprechend bauen wir gerade unter Hochdruck unsere gesamte Produktion um. Doch das Cologne Electrification Center umfasst nicht nur unseren Produktionsstandort in Köln-Niehl, sondern auch unser Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich. Wir werden ab 2030 in Europa nur noch vollelektrische Pkw-Modelle anbieten. Das Design und die Entwicklung dieser Modelle entstehen federführend in Merkenich.

Welche Bedeutung hat der Umbau zum Electrification Center für den Standort Köln?
Eine immense! Wir investieren rund eine Milliarde US-Dollar in den Umbau. Das ist die größte Investition in den mehr als 90 Jahren, in denen wir in Köln schon Autos bauen. Allein das macht deutlich, dass es sich hierbei um mehr als einen einfachen Umbau des Werks für die Einführung eines neuen Modells handelt. Wir gestalten vielmehr die größte Transformation unserer Unternehmensgeschichte, und dieser komplexe Transformationsprozess vollzieht sich auf allen Ebenen.

Welche Ebenen meinen Sie?
Zum einen beinhaltet die Transformation sehr plastisch den Umbau des Werks. Wir haben beispielsweise gerade die Fundamente für ein mehr als 100 Meter langes und 25 Meter hohes High-Tech-Gebäude gelegt. Hier werden künftig die Rohkarossen vorbehandelt, bevor sie lackiert werden. Doch auch in den bestehenden Werkshallen finden große Veränderungen statt.

Wir sind eines der effizientesten Automobilwerke in ganz Europa und wollen dies auch im Zeitalter der Elektrifizierung bleiben. Deshalb modernisieren wir unser gesamtes Fertigungssystem, forcieren dabei die Digitalisierung und Automatisierung und setzen vollumfänglich auf Industrie 4.0. Das wiederum bedeutet auch eine tiefgreifende kulturelle Transformation.

Im Dialog mit René Wolf
Im Dialog mit René Wolf

Was verstehen Sie unter kultureller Transformation?
Die Transformation, die wir gerade umsetzen, betrifft eben nicht nur technologische Aspekte, sondern auch die Art und Weise, wie Menschen, Maschinen und Logistik zusammenarbeiten. Wir produzieren also nicht nur ein neues vollelektrisches Modell und modernisieren dafür unsere Produktionsanlagen. Gleichzeitig transformieren wir auch unsere Arbeitsprozesse und Organisation.

Was sind denn die größten Herausforderungen, die Sie auf dem Weg zum Electrification Center meistern müssen?
Zunächst einmal müssen wir bei Umbau und Modernisierung der Produktionsanlagen unseren ambitionierten Zeitplan einhalten, damit unser neues E-Modell im nächsten Jahr pünktlich vom Band fährt. Derzeit liegen wir absolut im Plan.

Eine weitere Herausforderung ist die parallele Produktion: Wir lassen in Köln unsere Ford Fiesta-Produktion weiterlaufen, während wir das batterieelektrische Modell dort integrieren. In der Endmontage müssen Produktionsprozesse und Systeme entsprechend angepasst werden. Das E-Auto verfügt beispielsweise über eine schwere Batterie, dafür müssen wir die Anlagen verstärken. Und was an erster Stelle steht: Wir wollen unsere gesamte Belegschaft für die elektrische Zukunft motivieren und aktiv in die Umgestaltung des Werkes einbeziehen.

Wie wollen Sie das erreichen?
Um zu erfahren, was Menschen denken und fühlen, muss man die Antennen ausrichten. Wir haben also zunächst in die Belegschaft hineingehört und dann gemeinsam Leitsätze entwickelt. Unsere Beschäftigten waren also von Anfang an am Prozess beteiligt. Es gab dreistufige Workshops, an denen jeweils 50 Personen teilgenommen haben. Das waren gemischte Teams, vom Auszubildenden bis zum Geschäftsführer. So entstand ein aktiver Dialog, an dessen Ende wir eine gemeinsame Vision definiert haben, die von allen getragen wird und nicht im Hinterzimmer entstanden ist. Das so formulierte Leitbild wird nun in den kommenden Wochen nach und nach ausgerollt − über die App für die Ford Belegschaft, aber auch klassisch über die gewohnten Kommunikationskanäle. So bekommen alle Beschäftigten mit, was wir vorhaben. Auch das gehört zur angesprochenen kulturellen Transformation.

Und wie bereiten Sie Ihre Belegschaft fachlich auf diese Transformation vor?
Motivation und Qualifikation gehören hier untrennbar zusammen. Wir werden unseren Beschäftigten das nötige Rüstzeug mit an die Hand geben, sie also sorgfältig für die Produktion von batterieelektrischen Modellen schulen. Insbesondere in der Endmontage müssen wir die Belegschaft vorbereiten, da sie es beim Batterieeinbau mit 400-Volt-Technik zu tun haben. Bis wir mit der Produktion des E-Modells starten, wird nach und nach jeder Mitarbeiter eine umfassende Schulung bekommen. Hochvolt-Technik ist das eine. Hinzu kommt, dass die Elektrifizierung und Digitalisierung das Fahrzeug zu einem fahrenden Computer machen, der dem Fahrer ganz andere Möglichkeiten bietet, als nur von A nach B zu kommen. Das Auto wird zur Kommunikationszentrale. Dafür benötigen wir auch Personal mit neuen Expertisen.

Das heißt, es entstehen neue Jobs, für die Sie auch neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen?
Genau. Den entstehenden Bedarf können wir nicht ausschließlich durch Umschulungen und Weiterbildungen decken. Die Gewichtung bestimmter Berufsgruppen innerhalb der Belegschaft verändert sich. In der Produktentwicklung stellen wir heute zum Beispiel deutlich mehr Software-Ingenieure ein als früher. Auf diese Entwicklung reagieren wir auch bei unserem Ausbildungsangebot. So haben wir in den vergangenen Jahren in den Fertigungsbereichen viel mehr Elektromechaniker oder Elektroniker ausgebildet. Dafür verringert sich die Anzahl von anderen Berufen wie Zerspanungs- oder Fertigungsmechaniker. Wir haben auch neue Ausbildungsberufe wie Fachinformatiker für Systemintegration in unser Ausbildungsprogramm aufgenommen. Und auch die dualen Studiengänge namens „do2“, die wir bei Ford anbieten, haben wir entsprechend angepasst − hin zu mehr Studienplätzen im IT-Bereich.

Nach der Ankündigung des Cologne Electrification Center im Februar 2021 war die Freude bei den Beschäftigten groß und durchaus mit Stolz verbunden.

Wie hat denn die Belegschaft generell auf die Transformation reagiert?
Nach der Ankündigung des Cologne Electrification Center im Februar 2021 war die Freude bei den Beschäftigten groß und durchaus mit Stolz verbunden. Wir führen Ford Europa in das Elektro-Zeitalter und setzen Maßstäbe, an denen sich die anderen europäischen Werke künftig orientieren werden. Das Herz von Ford Europa schlägt also auch in Zukunft am Rhein, und das macht uns alle stolz. Außerdem haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch diese Entscheidung auch eine attraktive, persönliche Zukunftsperspektive. Sie können die elektrische Zukunft von Ford mitgestalten. Das löst eine Aufbruchsstimmung aus, die überall im Werk zu spüren ist.

Im Dialog mit René Wolf
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Aber hat Ford die Elektrifizierung insgesamt nicht etwas verschlafen?
Das Gegenteil ist richtig, wir waren unserer Zeit sogar voraus. Denn mit dem Ford Focus Electric haben wir bereits 2013 – als erster Hersteller überhaupt – ein vollelektrisches Modell in Deutschland produziert. Doch die Zeit war damals offenbar noch nicht reif dafür, weshalb sich der Absatz stark in Grenzen hielt. Deshalb sprechen wir beim künftigen E-Auto aus Köln vom ersten vollelektrischen Volumenmodell von Ford Europa. Inzwischen ist das ökologische Bewusstsein vieler Kunden größer und damit auch das Interesse an alternativen Antrieben. Sicherlich spielen auch die Umweltprämien, die Staaten und Hersteller gemeinsam gewähren, für die steigenden Absätze von E-Autos eine Rolle. Jetzt ist jedenfalls genau die richtige Zeit, um in Sachen Elektrifizierung richtig Gas zu geben, oder – um im Bild zu bleiben – richtig Strom. Und genau das tun wir.

Welche elektrifizierten Modelle haben Sie denn im Köcher?
Mit dem Ford Kuga Plug-in-Hybrid, dem meistverkauften Plug-in-Modell in ganz Europa, und unserer neuen Ikone, dem vollelektrischen Ford Mustang Mach-E, haben wir schon absolute Kundenlieblinge im Angebot. Darüber hinaus erweitern wir unser elektrisches Line-Up in diesem Frühjahr mit dem Ford E-Transit, also der vollelektrischen Variante von Europas populärstem Transporter.

2023 kommt dann das batterieelektrische Modell aus Köln. Und das ist nur der Anfang: Bis 2025 investieren wir 30 Milliarden US-Dollar in die Elektrifizierung unserer globalen Flotte. In Europa werden wir ab 2026 in jeder Pkw-Baureihe mindestens ein Plug-in- oder ein vollelektrisches Modell im Angebot haben und ab 2030 bieten wir nur noch batterieelektrische Pkw in Europa an. Wir beschreiben unsere Strategie intern auch gern als »all in« bei der Elektrifizierung.

Dr. Wolfgang Eckelt, High Performance | Top Company Guide