Unlimited

Franziska Cusumano
Leiterin Mercedes-Benz Special Trucks, Daimler Truck AG

Zu diesem Abenteuer war der Weg zwar nicht weit, doch die Vorfreude extrem groß. Ich habe in meinen 20 Jahren für dieses Magazin viel erlebt und heute treffe ich eine Ikone oder das Nonplusultra – und das ist nicht nur meine Meinung. Auf mich wartet heute ein Auto-Traum in Arbeitsstiefeln: der Unimog. Und dazu treffe ich die Leiterin der Abteilung Special Trucks bei Mercedes-Benz Trucks Franziska Cusumano.

Revolution ab Gaggenau
Wir treffen uns im Unimog-Museum bei Gaggenau, denn, um sich einer Ikone zu nähern, muss man die Geschichte verstehen. Und die Geschichte des Unimog begann zwar »erst« vor 75 Jahren, erstreckt sich aber von anfänglich 25 PS bis heute 300 PS, das ist eine Reise!

Von Anfang an: Der Unimog steht für Fortschritt und Sicherheit, für Leistung und Innovation und für kompromisslose Geländegängigkeit. Darauf sind hier alle Mitarbeiter wirklich stolz. Auch meine Gesprächspartnerin strahlt und freut sich, mich in die Geheimnisse des Unimog einweihen zu dürfen. Ich treffe Franziska Cusumano vor dem Museum und nach einer kurzen Begrüßung merkt man ihr an, dass sie loslegen möchte.

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75 Jahre Universal-Motor-Gerät für die Landwirtschaft
Die Geschichte des Unimog beginnt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Landwirtschaft muss wieder aufgebaut werden, Arbeiter sind knapp, aber der deutsche Ingenieursgeist ist wach. Wenn nicht genug Hände zur Verfügung sind, müssen Maschinen die Arbeit unterstützen. So entstand eine Arbeitsmaschine, die die Feldarbeit erleichtern sollte und gleichzeitig den strengen Auflagen des Morgenthau-Planes gerecht werden musste.

Die Idee Unimog wurde geboren in Schwäbisch-Gmünd vom ehemaligen Leiter der Flugmotorenkonstruktion von Daimler-Benz Albert Friedrich: vier Räder mit Allradantrieb und Differenzialsperren für unwegsamste Einsatzgebiete, schon damals gelagert auf schraubengefederten Portalachsen, um Bodenfreiheit zu gewährleisten, dazu von Schubrohren geschützte Antriebswellen. Die Spurweite des Fahrzeugs beträgt 1.270 mm, was damals genau zwei Kartoffelreihen entspricht. Denn das Fahrzeug wurde zu Aussaat und Ernte von Kartoffeln mit verschiedenen Geräten verwendet, auch diese sehe ich im Museum.

1951 startete die Produktion unter dem Namen Mercedes in Gaggenau, 1953 wird der Unimog mit dem Mercedes-Stern geadelt.

»Ganz einfach: Der Unimog ist das Schweizer Taschenmesser im Fahrzeugbereich.«

Vom Acker auf den Vulkan
Heute denkt beim Unimog nicht mehr nur an den Acker, sondern auch an absolute Extrembereiche. Und tatsächlich erfahre ich, dass der Unimog auch auf dem höchsten aktiven Vulkan der Welt in den Anden unterwegs war, um Notfunkeinheiten für Bergsteiger zu montieren. Die beiden hochgeländegängigen Unimog wurden für die Herausforderungen in diesen extremen Höhen mit Spezialbereifung, starken Seilwinden und Sonderaufbauten zur variablen Schwerpunkt-Tarierung fit gemacht. Und sie enttäuschten natürlich nicht: Die letzte Notfunkeinheit wurde auf 6.694 Meter über dem Meeresspiegel angebracht – der Unimog hält damit den Höhenweltrekord für Nutzfahrzeuge.

Es geht in den Extrembereich
Nun möchte ich auch endlich erleben, wie es sich anfühlt, so viel Kraft zu bewegen. Der Unimog ist in Extremen zu Hause: 1,20 m Wattiefe, seitlicher Neigungswinkel von 38 Grad, Achsverschränkung von bis zu 30 Grad. Ich denke, das Wort »geländegängig«, ist hier eine starke Untertreibung. Das möchte ich selbst erfahren.

Und weil extremes Gelände für den Unimog anders definiert ist als irgendeine Kiesgrube, gibt es ein Testgelände, zum Glück ganz in der Nähe. Auf dem Weg frage ich Franziska Cusumano natürlich, was den Unimog ausmacht. »Als ich hier angefangen habe, wurde ich vom Fieber um den Unimog angesteckt. Ich habe gemerkt, dass das ganze Team besonders für dieses Fahrzeug brennt. Das liegt sicher daran, dass der Unimog noch weiterkommt, wo andere Fahrzeuge nicht mehr hinkommen«, erklärt Franziska Cusumano begeistert.

Und wir sprechen weiter darüber, dass für viele Unimog gleichzusetzen ist mit Feuerwehr, Katastrophenschutz, THW. Hier sind die Unimogs so verbreitet, weil man beispielsweise Helferteams in Erdbebengebiete fahren kann oder bei Waldbränden auch nahe an den Brandherd herankommen kann, egal, was im Weg liegt. So hat auch die Special Trucks Unit eigene zusätzliche Unimogs ins Ahrtal geschickt, weil diese dort sehr gut eingesetzt werden konnten.

Und dann sind wir da, ich sehe erst mal keine großartigen Mulden oder Flüsse, dafür eine weitere Ikone, die mit uns den Nachmittag verbringen wird.

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Der Zetros: Gelände-Gigant und Offroad-Original
Der Zetros ist wie der große Bruder des Unimog. Man kennt ihn als unverwüstlichen Feuerwehr-Kameraden, als Globetrotter – aber wirklich bis ans Ende der Welt, oder aus dem Militär.

Auch hier ist Franziska Cusumano ganz in ihrem Element und begeistert, wenn sie mir die Vorzüge dieses Hindernis-Helden erläutert: Der Zetros ist das Produkt von mehr als 120 Jahren Erfahrung und Expertise bei Mercedes-Benz Special Trucks. Seine Mission: ankommen, egal wo. Dabei helfen bis zu 2.200 Nm Drehmoment, manuell schaltbares 16-Gang-Getriebe, zweistufiges Verteilergetriebe, permanenter Allradantrieb mit Differenzialsperren in Achsen und Verteiler sowie Böschungswinkel von 35°.

Ich will sehen
Jetzt ist die Spannung doch so groß, dass ich endlich einsteigen möchte. Wohin zuerst? Ich entscheide mich für die Felsenlandschaft, die schon etwas erinnert an das Ende der Welt. Keine kleinen Steinchen, um den Eindruck von »Offroad« zu vermitteln, nein, hier liegen Felsblöcke, über die man kaum zu Fuß kommen würde. Ich fahre zum Glück – und bin überwältigt. Offroad-Experten bestätigen: »Der geht hier drüber wie eine Wanderdüne.« Ja, so ist es tatsächlich, geschmeidig.

»Als ich hier angefangen habe, wurde ich vom Fieber um den Unimog angesteckt. Ich habe gemerkt, dass das ganze Team besonders für dieses Fahrzeug brennt.«
Als nächstes nehme ich mir die Rampen vor mit verschiedenen Steigungen. Ich beginne mit 80 %, denn ich möchte ja die Grenzen austesten. Doch die 80 % Steigung nimmt der Unimog sogar ohne Differenzialsperren, nur mit Allrad-Antrieb. Und ich könnte ebenso rückwärts hier hochfahren … Jetzt bin ich mutig und nehme die Rampe nach unten, die eigentlich eher eine Treppe ist, 110 % Steigung. Ich stehe oben mit meinem kraftvollen Kumpel, aber ich sehe Nullkommanichts. Es erfordert schon Gottvertrauen, sich ohne Sicht hier herunterzustürzen. Doch der Unimog fährt natürlich zuverlässig, ohne größere Motorgeräusche. Wahnsinn. Und ich weiß, dass in diesen extremen Steigungswinkeln die Ölversorgung und Schmierung von Motor und Getriebe eine Schwierigkeit ist und es bei anderen Fahrzeugen zu einer kurzen Öl-Pause kommen kann. Nicht so im Unimog. Ingenieurskunst eben. Nun bin ich auch noch mutig genug, die Wattiefe zu erfahren, denn auch hier hat man ein mulmiges Gefühl, gegen den enormen Wasserdruck von ca. 1 Meter tiefem Wasser anzufahren. Es ist faszinierend. Auch Franziska Cusumano hat sichtlich Spaß dabei, die Souveränität der Fahrzeuge zu testen und wir reden schließlich über unsere oder eher über meine Erfahrungen, die mir heute wirklich neue Welten eröffnet haben. Und natürlich sprechen wir auch über die Zukunft des Unimog. Mir scheint es eigentlich, als stände die Wende zur E-Mobilität oder anderen Antrieben bei so einem traditionellen Fahrzeug nicht im Fokus der Entwicklung, doch da täusche ich mich. Denn natürlich macht der Erfindergeist »Defining Class since 1886« auch vor dem Unimog und Zetros nicht halt.
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Meine Gesprächspartnerin erläutert: »Die Herausforderung beim Unimog ist, dass es ein sehr kompaktes Fahrzeug ist, somit ist es schwierig, alles irgendwo verbaut zu bekommen. Aber die Kompaktheit ist das Plus, das ihn bei Kommunen beispielsweise so beliebt macht.

Zudem muss der Antrieb nicht nur das Fahrzeug antreiben, sondern beim Unimog Geräteträger auch die Arbeitsleistung erzeugen, um das Arbeitsgerät anzutreiben. Und dafür könnte der Wasserstoff-Verbrenner-Antrieb zukunftsweisend sein.«

Neue Ära: WaVe, der Wasserstoff-Verbrennungsmotor
Bereits im März 2023 rollte ein Prototyp auf Basis des Unimog Geräteträgers mit Wasserstoffmotor und integrierter Abgasreinigung über diese Teststrecke. Entwickelt im Rahmen des Projektes WaVe (Wasserstoff-Verbrennung), das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Next Generation EU-Programm der Europäischen Union gefördert wurde.

»Als Basis für den Wasserstoffverbrennungsmotor nutzte Daimler Truck einen Erdgasmotor, ergänzt durch Diesel- und spezielle Wasserstoffkomponenten. Nach der schnellen Befüllung des Drucktanks mit 700 bar strömt der Wasserstoff zum Motor und reagiert mit Sauerstoff, die Wärmeenergie wird zu Bewegungsenergie. Momentan wird der Wasserstoff-Unimog anhand eines Mähaufsatzes erprobt, Ziel ist ein Arbeitseinsatz bis zu acht Stunden«, erklärt mir Franziska Cusumano. Und ich denke, die engagierten Ingenieure rund um den Unimog werden auch diese Herausforderung meistern.

Zum Schluss möchte ich noch wissen, was für die Leiterin Special Trucks und all die Mitarbeiter, die so brennen für ihre Aufgaben, die Faszination ausmacht: »Ganz einfach: Der Unimog ist das Schweizer Taschenmesser im Fahrzeugbereich.« Das kann man so stehen lassen und ich streiche mir diesen Tag sicher rot im Kalender an.

Kandidaten lesen | Dr. Wolfgang Eckelt